EthikJournal 8. Jg. (2022) Ausgabe 2

"Verletzlichkeit und Widerstandskraft als anthropologische Grunddimensionen – Überlegungen für sozialprofessionelle Kontexte"

 

Editorial


Andreas Lob-Hüdepohl

Am 4.4.2022 hat der Deutsche Ethikrat der Öffentlichkeit seine Stellungnahme „Vulnerabilität und Resilienz in der Krise – Ethische Kriterien für Entscheidungen in einer Pandemie“ vorgestellt. Mit dieser Ausgabe des EthikJournals möchten wir die Überlegungen des Ethikrates aufgreifen und unter der Leitperspektive „Verletzlichkeit und Widerstandskraft als anthropologische Grunddimensionen – Überlegungen für sozialprofessionelle Kontexte“ in kritisch-kreativer Weise mit den Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit verbinden.

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Fachartikel


Sigrid Graumann

„Vulnerabilität und Resilienz”
Ein Überblick zur Stellungnahme des Ethikrates zur COVID-19-Pandemie und ihre Bedeutung für die professionellen Handlungsfelder im Sozialwesen

Zusammenfassung Der Deutsche Ethikrat beschäftigte sich in mehreren Ad hoc Empfehlungen und Stellungnahmen mit ethischen Aspekten der COVID-19-Pandemie und den schwierigen Abwägungsentscheidungen, die zur ihrer Eindämmung unter Bedingungen wissenschaftlicher Unsicherheit getroffen werden mussten. In dem vorliegenden Beitrag wird die Arbeit des Ethikrats aus interner Perspektive dargestellt und kommentiert. Thematisiert werden der unzureichende Schutz sogenannter besonders vulnerabler und sozial benachteiligter Gruppen vor Schädigungen, die Priorisierung von Impfungen und die Kontroversen über Impfpflichten sowie die mangelnde Krisenfestigkeit von Institutionen. Abschließend wird die besondere Konfliktlage, in die sich Sozialarbeiter:innen und andere in sozialen Berufen Tätige während der Pandemie versetzt sahen, diskutiert und in den Kontext des Selbstverständnisses von sozialen Berufen als Menschenrechtsprofessionen gesetzt.
Schlüsselwörter COVID-19-Pandemie, Deutscher Ethikrat, Vulnerabilität, verletzliche Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität, Menschenrechte      

Artikel


Juliane Noack Napoles

Vulnerabilität als Deutungshorizont sozialer Probleme am Beispiel von Einsamkeit

Zusammenfassung In dem vorliegenden Text dient Vulnerabilität als Deutungshorizont sozialer Probleme am Beispiel des Phänomens der Einsamkeit im Zusammenhang mit der „Strategie körperlicher Distanz“ im Rahmen von Coronaschutzmaßnahmen. Es werden Mechanismen der Vulnerabilität entlang der Aspekte Prävention, Vulnerabilisierung, Risikogruppen und Soziale Probleme und deren Übertragbarkeit auf und Konsequenzen für die Soziale Arbeit herausgestellt. Dabei zeigt sich, dass unterschiedliche Verständnisse von Vulnerabilität zu unterschiedlichen paradigmatischen sozialarbeiterischen Zugangsweisen führen.
Schlüsselwörter Vulnerabilitätstheorie, Schutzmaßnahmen und Einsamkeit, Einsamkeit als soziales Problem, Vulnerabilisierung, gelingendes Leben

Artikel


Theresia Wintergerst

Wohnungslosigkeit und Wohnungsnot als Kristallisationspunkt von Vulnerabilitäten und Resilienzen
Reflexionen über die Wohnungslosenhilfe als Handlungsfeld der Sozialen Arbeit

Zusammenfassung Wohnungslosigkeit und Wohnungsnot sind Armutslebenslagen, die die Verwirklichung vieler sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Rechte bedrohen. Sie machen Menschen besonders vulnerabel und beschneiden ihre Resilienzstrategien. Die Inanspruchnahme von institutioneller Unterstützung zur Vermeidung oder Beendigung von Wohnungslosigkeit sind voraussetzungsreich und bergen die Gefahr, dass die Selbstachtung der Bürger:innen dabei verletzt wird. Umso wichtiger ist die Ressourcenorientierung als Arbeitsprinzip in der Wohnungslosenhilfe. Die stärkere Orientierung an der Selbstbestimmung durch die Institutionen, in denen obdachlose Menschen wohnen, ist deshalb grundsätzlich zu begrüßen. Soziale Arbeit berücksichtigt dabei die Bedingungen, unter denen es Menschen möglich ist, Selbstbestimmung und mithin Eigenziele zu entwickeln. Bei Wohnungslosigkeit gehören Räume für Privatheit und Ruhe, basale Versorgung und erste Bearbeitungen sozialer Probleme dazu. Sie eröffnen erst die Grundlage für eine individuelle Zukunftsplanung und sind notwendige Leistungen einer resilienten Wohnungslosenhilfe. Nachdrücklich auf das prozessuale Verständnis von Selbstbestimmung in den Verhandlungen mit Politik und Verwaltung hinzuweisen ist Ausdruck resilienter Institutionen der Wohnungslosenhilfe, die ihrem Auftrag gerecht werden.
Schlüsselwörter Wohnungslosigkeit, Wohnungsnot, Armut, Vulnerabilität, Resilienz, resiliente Organisationen, Lebenssicherheit

Artikel


Henrike Voß

Vulnerable Entscheidungsfindung im Kontext von Demenz
Advance Care Planning als hilfreicher Unterstützer (auch in Pandemiezeiten)

Zusammenfassung Der Mensch ist auch mit Blick auf Entscheidungen zum Lebensende in Abhängigkeit von seinem Sorge-Netzwerk zu betrachten. Wie vulnerabel der Mensch ist, verdeutlicht sich gegenwärtig mit Blick auf die COVID-19-Pandemie. Die Demenzerkrankung potenziert Aspekte, die (nicht nur) im Kontext von SARS-CoV-2 geschehen, und verändert dabei etwa auch Entscheidungsfindungsprozesse zum Leben und Sterben sowie zu lebensverlängernden Maßnahmen, also den gesamten Advance Care Planning (ACP)-Prozess. Gerade in aktuellen Zeiten ist ACP als hilfreicher Unterstützer zu betrachten. Hierdurch werden insbesondere Aspekte der Selbstbestimmung gestärkt, jedoch nur dann, wenn ACP auf die vulnerable Gruppe der Menschen mit Demenz angepasst umgesetzt wird.
Schlüsselwörter Pandemie, COVID-19, Demenz, Advance Care Planning, Lebensbindung, modifizierte Werteanamnese

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  • ISSN 2196-2480