EthikJournal 10. Jg. (2024) Ausgabe 2

"Inklusion zwischen Anspruch und Wirklichkeit"

 

Gesamtausgabe


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Editorial


Ulf Liedke und Silke Gülker

Inklusion ist ein Menschenrechtsprinzip. Dieser Satz dürfte im sozialprofessionellen Diskurs auf breite Zustimmung stoßen. Doch was bedeutet er? Inklusion ist heute ein so weit verbreiteter und vielfältig genutzter Begriff, dass einige Kritiker:innen ihn mit der Charakterisierung als ‚Containerbegriff‘ ablehnen. Gleichzeitig wird er je nach Kontext sehr eng allein für Aspekte der Teilhabe von Menschen mit Behinderungserfahrung genutzt. Inklusion in einem weiten Verständnis, das die Anerkennung aller Personen(gruppen) in ihrer Individualität und Heterogenität in den Blick nimmt, wird von manchen Kritiker:innen wiederum als illusorisch oder auch als Ideologie charakterisiert. Inklusion ist also nicht zuletzt eine normative Idee, über deren Grundlagen reflektiert und debattiert werden muss.

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Fachartikel


Christian Spieß

Gerechte Teilhabe im Horizont von Autonomie, Befähigung und Anerkennung. Ethische Grundlagen und Herausforderungen des Inklusionsparadigmas

Abstract: Das Konzept der Inklusion stützt sich vor allem auf das ethische Motiv der Autonomie:  Menschen sollen, so weit wie möglich, ein selbstbestimmtes Leben führen können. In diesem Beitrag werden ethische Überlegungen über grundlegende menschliche Fähigkeiten sowie über die Bedeutung sozialer Anerkennung mit dem Prinzip der Autonomie ins Verhältnis gesetzt. Leitend ist dabei die Annahme, dass Befähigung und Anerkennung Bedingungen der Möglichkeit der Selbstbestimmung sind. Zugleich weist der ethische Diskurs aber auch exkludierende Gesichtspunkte auf, die im Beitrag thematisiert werden. Abschließend wird mit einem Rekurs auf das normative Prinzip der gerechten Teilhabe auf die Bedeutung sozioökonomischer Ressourcen für Autonomie, Befähigung und Anerkennung hingewiesen.

Schlüsselwörter: Inklusion – Sozialethik – Gerechtigkeit – Anerkennung – Autonomie – Befähigung

Artikel


Mai-Anh Boger

Anspruch und Begehren: Ethische Reflexionen zu (un)gewollten Inklusionen

Abstract: Der Beitrag erörtert, inwiefern von einer ‚Ethik der Inklusion‘ gesprochen werden kann oder sollte. Dazu werden zunächst die Begriffspaare ‚Anspruch und Wirklichkeit‘ und ‚Anspruch und Begehren‘ betrachtet. Letzteres geschieht in der Spur der Lacanschen Psychoanalyse sowie der Arbeiten Spivaks, mit denen nach den Subjekten der Inklusion gefragt wird. Herausgearbeitet wird der Unterschied zwischen einem politischen Sprechen über Differenz bzw. Anderssein und dem Anderen als ethische Figur. Nach Darlegung des Trilemmas zum ontologischen Status von Andersheit in Inklusionsverständnissen wird im Fazit rekapituliert, wie sich das politische und das ethische Sprechen über Inklusion unterscheiden.

Schlüsselwörter: Inklusion - Ethik - Andersheit - Subalterne - Begehren - Psychoanalyse

Artikel


Thomas Eppenstein

Inklusion - Antidiskriminierung - Intersektionalität: Verschränkungen und Ambivalenzen einer Triade im Zeichen der Vielfalt

Abstract: Der Beitrag versucht ein Zusammendenken der Konzepte von Inklusion,  (Anti-)Diskriminierung und intersektioneller Analyse. Dabei werden Verschränkungen, Ambivalenzen und die Intersektion unterscheidbarer Diskriminierungskonstellationen in den Blick genommen und die  Überschneidungen mit unterschiedlichen Ideologien mit bedacht. Die normative Ausrichtung der Begriffe auf ihrem Weg in den professionellen Alltag impliziert Überlegungen zu gesellschaftlichen und sozialen Kontexten und ethischen Konsequenzen.

Schlüsselwörter: Diskriminierung - Intersektionalität - Antidiskriminierung - Antisemitismus - Rassismus - Normativität

 

Artikel


Fabian Kessl/Christian Reutlinger

Eine Antwort auf unterschiedliche Fragen? Inklusive Sozialraumarbeit als Perspektive professioneller Arbeit

Abstract: In Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es zunehmend Bestrebungen, Inklusion in sozialräumlichen Kontexten zu stärken. Dabei wird häufig ein enger Fokus auf Menschen mit  Behinderungen und nicht ein breites Inklusionsverständnis zugrunde gelegt. Letzteres zielt nicht nur auf den Abbau von Barrieren oder den besseren Einbezug von behinderten Menschen, sondern auf gesellschaftliche Teilhabe und eine Vermeidung von Ausschließung möglichst aller Gesellschaftsmitglieder. Ausgehend von einem solchen breiten Inklusionsverständnis meint der Bezug auf sozialräumliche Zusammenhänge nicht eine andere politische Steuerung, sondern eine spezifische professionelle und organisationale Handlungsstrategie. Dazu wird das Konzept der Sozialraumarbeit als Alternative zum weit verbreiteten Programm Sozialraumorientierung vorgeschlagen. Eine inklusive Sozialraumarbeit betont die Gestaltung von sozialen Räumen als durch alle an sozialen Prozessen beteiligten Akteur:innen ständig (re)produziertes Gewebe sozialer Praktiken. Bei der Konkretisierung inklusiver Sozialraumarbeit sind die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse als sozialräumliche Ordnung systematisch in den Blick zu nehmen, indem die damit verbundenen zentralen Dilemmata zum Ansatzpunkt gemacht werden. Im vorliegenden Beitrag wird dies entlang der wichtigsten Dilemmata verdeutlicht und illustriert.

Schlüsselwörter: Inklusive Sozialraumarbeit - Konflikt - Kontextualisierung - Positionierung - Sozialraum - Teilhabe - Inklusion

Artikel


Sabine Schäper

Inklusion gestalten in einer exkludierenden Gesellschaft - oder: einer widerspenstigen Praxis auf der Spur

Abstract: Prozesse der inklusiven Ausgestaltung professioneller Praxis in sozialen Berufen unterliegen einer Vielzahl von Widersprüchen. Anhand von zwei Praxisfeldern – der palliativen Versorgung von Menschen mit Behinderungen und dem Kinderschutz – wird der Frage nachgegangen, welche Bedingungen zur Aufrechterhaltung exkludierender Praktiken beitragen. Eine theoretische  Vergewisserung in der Frage, wie Inklusion und eine menschenrechtliche Orientierung zueinander im Verhältnis stehen, führt zu Hinweisen auf Optionen, wie Inklusion in exkludierenden Verhältnissen gedacht und gestaltet werden kann. Die Anwendungsfelder stehen dabei exemplarisch sowohl für typische Mechanismen der Verhinderung von Inklusion wie für Möglichkeiten einer teilhabeförderlichen Praxis, die nicht segregiert.

Schlüsselwörter: Inklusion - Vernetzung - palliative Versorgung - Gewaltschutz

Artikel

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  • ISSN 2196-2480